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Jeden Monat präsentiert uns die
Home-Cinema-Foto-Video-Industrie neue digitale Foto- und Videokameras.
Digitalfotoapparate trumpfen mit immer höheren Pixelzahlen ihrer
Aufnahmechips auf; Videos aufnehmen können sie sowieso.
Digitalvideoapparate steigern den elektronischen Zoombereich ihrer
Objektive ins schier Endlose; Fotos schießen und E-Mails versenden können
sie sowieso.
Bleiben wir bei den optischen Gegebenheiten. Heutige Camcorder-Objektive
haben einen optischen Zoombereich von meist 10-fach bis etwa 20-fach.
Optisch heißt, daß allein die rein mechanische Verschiebung / Drehung
per Motor von Linsen im Objektiv für die Verlängerungsfaktoren zuständig
ist. Für den erweiterten elektronischen Zoomfaktor bis zum
mehrhundertfachen gibt es keine zusätzlichen Bildinformationen. In diesen
extremen "Telebereichen" wird das Bild lediglich elektronisch
vergrößert, mit zunehmenden Vergrößerungsfaktor pixeliger und in mehr
oder weniger große Mosaikstückchen zerlegt.
Camcorder
- Zoomeinstellung max. Weitwinkel
- ohne Vorsatzlinse - |
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Camcorder
- Zoomeinstellung max. Weitwinkel
- mit Weitwinkel-Konverter 0,5 fach - |
Der Zoomfaktor allein sagt nichts darüber aus, wie
viele Berge einer Gebirgslandschaft vom gleichen Standort aus gleichzeitig
gefilmt werden können oder ob ohne Schwenk die Theaterbühne vom
Souffleurkasten aus in der Gesamtansicht aufgenommen werden kann. Als
weitere Größe muß die Chipfläche des Bildwandlers und die Anzahl der
Bildpunkte bekannt sein. Denn völlig egal, wie gigantisch die Anzahl der
Pixel auch sein mag, für ein PAL-Fernsehbild im Seitenverhältnis 4:3
werden immer nur 440.000 Pixel benötigt.
Sinnvollerweise werden die Variobereiche von Camcorderobjektiven auf das
Kleinbild-Fotoformat umgerechnet (siehe Kasten). Ein Varioobjektiv von 3,3
mm bis 33 mm Brennweite (10-fach Zoom) vor einem 1/4 Zoll Wandlerchip mit
800.000 Pixel entspricht im klassischen Foto-Zoombereich Brennweiten von
42 mm bis 420 mm. Dasselbe Varioobjektiv (Brennweite 3,3 mm bis 33 mm:
10-fach) vor einem der verbreiteten 1/4,7 Zoll Wandlerchips mit 1.070.000
Pixel hat im Fotobereich eine Brennweite von 50 mm bis 500 mm.
Bei digitalen Bildwandlerchips ist für die Berechnung der Bilddiagonalen
nicht nur die geometrische Chipfläche, sondern auch die Pixelanzahl
notwendig. Vor der Einführung von CCD-Chips wurde mit lichtempfindlichen
Bildaufnahmeröhren gearbeitet. Bei diesen wurde als Maßangabe der
Aussendurchmesser angegeben. Tatsächlich nutzbar war aber nur ein
kleinerer Bereich. Für die digitalen Bildwandler wurden diese Werte und
die Bezeichnungen für die aktiven Wandlerflächen übernommen. Ein 1/4
Zoll-Wandlerchip hat mit 800.000 Pixel eine verbleibende Bilddiagonale von
3 mm, mit 1.550.000 Pixeln nur noch eine Bilddiagonale von 2,2 mm.
Irgendwann ist es nicht mehr möglich, die Brennweite weiter zu verkürzen,
um Zoomobjektive mit echtem Weitwinkelbereich zu bauen. 1,8 mm Brennweite
sind nicht mehr machbar, da die letzte Glaslinse sicher dicker sein wird
als die Brennweite selbst und die Linse auf der Chipfläche aufsitzen würde.
Ein Objektiv besteht auch nicht nur aus einer Linse. Es wären letztlich
Objektive erforderlich, deren optischer Mittelpunkt außerhalb der
Linsengruppe läge. Trotz alledem sind Weitwinkelaufnahmen wünschenswerter
als starke Telebrennweiten. Im Weitwinkelbereich ist es einfacher, auch
freihändig verwacklungsfreie Aufnahmen zu erhalten.
Weitwinkelaufnahmen wirken sehr dynamisch und räumlich,
während Teleaufnahmen eher flach wirken.
Da mit dem eingebauten Objektiv der Blickwinkel der Camcorder oft zu eng
ist, ist die Lösung ein passender Konverter. Auf das Filtergewinde des
Camcorderobjektivs wird ein Vorsatzobjektiv geschraubt mit einem Verkürzungsfaktor.
Dadurch wird die Originalbrennweite verkürzt. Ein Konverter selbst hat
keine Brennweite. Der Faktor, der immer kleiner 1 ist, bestimmt die
Wirkung. So fangen wir mit einem WW-Vorsatz mit Faktor 0,5 (ergiebt halbe
Camcorderobjektivbrennweite) doppelt soviel Kulisse ein, weil der
Bildwinkel verdoppelt wird. Ganz wichtig in engen Räumen oder für
Panoramaszenen. Brennweitenverkürzende Konverter erweitern nicht nur den
Bildwinkel unter beengten Raumverhältnissen, sondern auch die Schärfentiefe
und verschaffen dem Camcorder einen ruhigeren Bildstand, die elektronische
Bildstabilisierung muß weniger arbeiten. Die Schärfentiefe ist um so
weiter, je kürzer die Brennweite, je besser das Licht und je ausgedehnter
die Aufnahmeentfernung ist. Nicht nur epische Landschaftsaufnahmen und
beeindruckende Architekturaufnahmen lohnen sich mit einem
Weitwinkelvorsatz, sondern auch die fröhliche Partygesellschaft paßt
ganz ins Bild.
Durch die perspektivische Verzerrung wirken Kamerafahrten nahe an
Objekten rasanter. Zieht die Kamera an den verkleinerten Details vorbei,
suggeriert das höheres Tempo.
Bei Weitwinkelaufnahmen pumpt die automatische Schärferegulierung
weniger. Profis schalten um auf manuelle Fokussierung und stellen den
hyperfokalen Schärfepunkt ein. Er liegt in einer vom Motiv abhängigen
Entfernung, bei der der maximale Tiefenschärfebereich vom nahen
Vordergrund bis zum Hintergrund der Szene reicht. Dieser Bereich wird
durch die manuelle Einstellung der Blende entweder verkleinert oder vergrößert. |
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Brennweiten-Rechnerei:
Geht es um den Begriff
Objektivbrennweite, ist ein Blick zu den klassischen Fotoobjektiven
hilfreich. Am ehesten finden wir einen Zugang zu den geometrischen
Daten im Kleinbild-Fotobereich.
Die Bezugsgröße dafür,
wieviel Bildfläche einer Location (Höhe x Breite) in einer
bestimmten Entfernung auf dem Fotofilm abgebildet werden kann, ist
die Brennweite. Objektive, deren Brennweite in etwa der
Bilddiagonale des Aufnahmeformats entsprechen, heißen Normal- oder
Standardobjektiv. Beim Kleinbildformat mit 24 mm x 36 mm mißt die
Bilddiagonale 43 mm. Hier hat ein Objektiv mit einer Brennweite von
43 mm einen Sichtwinkel von 45 Grad in horizontaler Richtung, der längeren
Bildseite mit einer Breite von 36 mm. Das entspricht etwa unserem
engeren Sehkreis von 45 Grad. Damit korreliert das menschliche Auge
genau mit einem 43er Objektiv – beim Kleinbildformat. Aus
bautechnischen und qualitativen Gründen konstruierte die Firma
Leitz als Begründerin der Kleinbild-Fotografie in den Zwanziger
Jahren des letzten Jahrhunderts kein 43er Normalobjektiv sondern ein
"Normalobjektiv" mit 52 mm Brennweite. Gebaut werden sie
bei Leitz immer noch mit 52 mm Brennweite, trotzdem ist auf dem
Objektiv-Frontring der Standardobjektive der Wert "50 mm"
eingraviert. Ein 50er Normalobjektiv hat einen Sichtwinkel von 38
Grad in horizontaler Richtung (36 mm Filmformatbreite), was nicht
optimal an unsere Sehgewohnheiten angepaßt ist. Bezogen auf die
Bilddiagonale von 43 mm kommt ein Normalobjektiv mit einer
Brennweite von 50 mm genau wieder auf einen Sichtwinkel von 45 Grad.
Und dabei ist es geblieben. Bildwinkel der Objektive werden auf die
Diagonalen der Aufnahmeformate bezogen.
Wer einmal mit einem
"echten" 45 mm Kleinbild-Objektiv fotografiert hat, weiß
den kleinen Unterschied
von 5 mm (7 mm) Brennweite zu schätzen. Irgendwie wirken Aufnahmen
mit einem 45er Objektiv harmonischer. Die auf Optiken aller Art
spezialisierte Firma Zeiss konstruierte als erste ein legendäres
Tessar mit 45 mm Brennweite, das heute wieder gebaut wird, nachdem
es viele Jahre aus dem Angebotskatalog verschwunden war.
Im Zeichen der digitalen
Weiterverarbeitung von Fotofilmen scheinen solche Überlegungen fast
kein Thema mehr zu sein. Aufgenommen mit einem 35 mm
Weitwinkelobjektiv oder einem beliebigen Zoom-Objektiv, mit dem
Filmscanner digitalisiert, in Photoshop ausgeschnitten und auf dem
7-Farb-Drucker in glossyqualität ausgedruckt, erhalten wir das
gleiche gestaltete Bild; oder etwa doch nicht? |
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